Stephanie Bothe & Elisabeth Schuhmann
Lebhafte Materie
Stephanie Bothe an Elisabeth Schuhmann:
„Vibrant Matter“, 2021, Aquarell auf gerolltem Papier, Dimensionen variabel
Elisabeth Schuhmann an Stephanie Bothe:
„Hortus Conclusus“, 2021, weiße Kreide auf Vegetation und Beton (Intervention im Freiraum eines verlassenen Schwimmbads in Stuttgart), 300 x 300 cm
„Ein Modus zu sein, bedeutet also, Bündnisse ein- und in Gefügen aufzugehen: Es bedeutet, zu modi-fizieren und von anderen modi-fiziert zu werden.“ (Jane Bennett, „Lebhafte Materie. Eine politische Ökologie der Dinge“, 2020)
Im künstlerischen Austausch zwischen Stephanie Bothe und Elisabeth Schuhmann für „Touch Away“ trafen augenscheinlich zwei völlig unterschiedliche Methoden und Handlungsanweisungen aufeinander: Während für „Vibrant Matter“ ein Aquarell auf der Vorder- und Rückseite eines Papiers angefertigt und nach der Trocknung im Stehen zu einer offenen, zylindrischen Form gerollt werden sollte, so bestand die Aufgabe für „Hortus Conclusus“ darin, einen wild bewachsenen Ort im städtischen Freiraum als Garten zu deklarieren und diesen mit einer quadratischen Bodenzeichnung aus Sprühkreide temporär einzufassen.
Der anfängliche Eindruck von den sich stark unterscheidenden handwerklichen Mitteln der beiden Künstlerinnen wich bald der Erkenntnis, dass sich auf inhaltlicher Ebene mehr Gemeinsamkeiten als Gegensätze finden ließen.
Der Kernaspekt beider Werke war der des Nicht-Eingreifens und Unterlassens: Wo menschliche Eingriffe reduziert und Entscheidungen Anderen überlassen wurden, entwickelte sich das Warten und Nichts-Tun zur wesentlichen Handlung im Arbeitsprozess.
So wie sich Wasser, Pigment, Papier, Schwerkraft und Verdunstung als wirkmächtige Handlungsquellen in Stephanie Bothes Arbeit „Vibrant Matter“ zu erkennen gaben, so sehr waren nicht-menschliche Aktanten wie die Vegetation mit ihrer eigenständigen Ansiedlung in der Arbeit „Hortus Conclusus“ in entscheidendem Maße an der Entstehung des Werks von Elisabeth Schuhmann beteiligt.
Die Frage nach der Urheberschaft, mit welcher sich alle beteiligten Künstlerinnen und Künstler im Rahmen von „Touch Away“ konfrontiert sahen, stellte sich daher auch und vor allem bei den beiden entstandenen Einzelergebnissen von Stephanie Bothe und Elisabeth Schuhmann: Welcher Autor ist es, der die Farbe auf dem Blatt verteilt? Welcher Autor bringt das Papier zum Erliegen und wieder zur Krümmung? Welcher Autor ist es, der den Garten gestaltet? Und gibt es jene klare Grenze zwischen dem Innen und Außen, dem Einen und dem Anderen, dem Lebhaften und dem Leblosen?
Schließlich: Was bedeuten diese Fragestellungen für unseren Bezug und unsere Bezugnahme zur physischen Welt, als Künstlerinnen und Künstler wie als Menschen und Modi, die wir als solche: Bündnisse eingehen und in Gefügen aufgehen?
Aus der Erfahrung eines neu entstandenen Gefüges und der gegenseitigen Beeinflussung im kommunikativen Austausch wuchs die Entscheidung der beiden Künstlerinnen, an dieser Stelle, statt der vollendeten Werke, collagierte Ausschnitte ihres Dialogs als das eigentliche Ergebnis von „Touch Away“ zu zeigen.